Alles andere als trocken: die neue Dauerausstellung im Wiener Papyrusmuseum

Das Papyrusmuseum am Heldenplatz in Wien begrüßt Sie in einem zeitgemäßen Ambiente mit neuem Begrüßungsraum, großflächigen Wandillustrationen und neuem Lichtkonzept. © Österreichische Nationalbibliothek / Pichler.
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Das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek bietet die weltweit größte Ausstellung antiker Schriftstücke. Nach einem umfassenden Relaunch präsentiert sich das Museum in der Neuen Burg am Heldenplatz in neuem Glanz: Statt der bisherigen Objektpräsentation in dicht aufgestellten Vitrinenreihen werden die rund 400 Originalobjekte nun in zeitgemäßem Ambiente mit neuem Begrüßungsraum, großflächigen Wandillustrationen und neuem Lichtkonzept vorgestellt.

Um ein abwechslungsreiches Museumserlebnis für unterschiedlichste Zielgruppen zu ermöglichen, wurde die Dauerausstellung um mehrere Medienstationen ergänzt, zusätzlich gibt es einen Audioguide in Deutsch, Englisch und für Gehörlose, einen Erlebnisraum zum antiken Totenkult und einen erweiterten Kinderbereich für das Kulturvermittlungsprogramm. Ein eigens konzipierter Medientisch informiert über die Arbeit der PapyrologInnen, den antiken Unterricht, die auf Papyrus vertretenen Sprachen und Schriften sowie das magische Satorquadrat.

Das Ende des 19. Jahrhunderts gegründete und nach mehreren Zwischenstationen 1999 am heutigen Standort feierlich wiedereröffnete Papyrusmuseum ist das Schaufenster der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Mit mehr als 180.000 Objekten zählt diese Sammlung zu den weltweit bedeutendsten Institutionen auf ihrem Fachgebiet. Sie wurde 2001 in ihrer Gesamtheit in das „Memory of the World“-Register der UNESCO eingetragen. Das nun wiedereröffnete Papyrusmuseum kann daher 400 originale Objekte des Weltdokumentenerbes aus 3.000 Jahren Schriftgeschichte präsentieren.

Geplant wurde der Relaunch des Museums vom renommierten Architekturbüro BWM Architekten, die für die Österreichische Nationalbibliothek bereits das Literaturmuseum und das Haus der Geschichte Österreich gestaltet haben. Dafür war das Museum von Oktober 2020 bis Anfang Mai 2021 geschlossen.

Die gezeigten literarischen und dokumentarischen Schriftstücke auf Papyrus, Papier, Pergament, Ton und Holz stammen großenteils aus dem antiken und frühmittelalterlichen Ägypten. Die Texte dokumentieren in unterschiedlichsten Sprachen historische Ereignisse, gesellschaftliche und religiöse Werte, zeigen kulturell und sprachlich geprägte Unterschiede auf, betonen kulturunabhängige Gemeinsamkeiten menschlichen Handelns und berichten unmittelbar vom Alltag und den Freuden, Sorgen und Hoffnungen der Menschen. Die Zeugnisse der Ägypter, Griechen, Römer, Byzantiner und Araber stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, ebenso jene zur altägyptischen Religion, zu den griechisch-römischen Kulten, zum Judentum, Christentum und Islam. Präsentiert werden diese vielfältigen Schriftzeugnisse in zwölf Themenkreisen sowohl im Original als auch in mehreren Medienstationen.

Einblick in die neue Dauerausstellung im Wiener Papyrusmuseum. © Österreichische Nationalbibliothek/Pichler.

Wirtschaftsleben

Wer von wem ein Stück Weinland pachtete, wann der Nil welchen Stand erreichte und wo welcher Handel betrieben wurde: All das wurde auf Papyri festgehalten. Sie dokumentieren somit die vielfältigen Wirtschafts- und Erwerbszweige in Landwirtschaft, Handwerk und Handel. Besonders der Stand des Nils und die jährlichen Überflutungen wurde penibel aufgezeichnet, nicht zuletzt deshalb, weil diese Berichte die Grundlage für die Berechnung der Steuerforderung waren.

Einblick in die neue Dauerausstellung im Wiener Papyrusmuseum. © Österreichische Nationalbibliothek/Pichler.

Privatbriefe

Aus der Antike haben sich Privatbriefe nur auf Papyrus erhalten, diese authentischen Briefe von einfachen Menschen sind für die Geschichtswissenschaft ein wahrer Glücksfall. Einer dieser Glücksfälle ist im wiedereröffneten Museum zu sehen: Mehrere, an einen gewissen Macedo adressierte Schreiben wurden zu einer Rolle zusammengeklebt, deren Rückseite man später für eine Abrechnungsliste nutzte. Die Briefe an Macedo entstanden in den Jahren 5 bis 2 v. Chr. und sind somit die ältesten im Original erhaltenen Zeugnisse lateinischer Briefkultur. Der Adressat der Briefe könnte entweder ein Freigelassener sein, oder aber – worauf die Anrede „Kamerad“ im zweiten Brief hinweist – ein römischer Soldat. Der Absender eines der Briefe warnt Macedo vor übler Nachrede. Neben diesen Briefen sind auch ein Empfehlungsschreiben und ein Kondolenzbrief ausgestellt.

Die neue Dauerausstellung im Wiener Papyrusmuseum ist großzügig und modern gestaltet. © Österreichische Nationalbibliothek/Pichler.

Amtliche Kommunikation

In Petitionen wandten sich Personen aller Gesellschaftsschichten an Amtsträger, um in juristischen Streitfragen oder Steuerangelegenheiten ihr Recht zu erlangen. Ptolemäische Könige, römische Kaiser und Statthalter, arabische Wesire, aber auch Amtsträger der lokalen Ebene verlautbarten Anordnungen, die als Abschriften in alle Teile des Landes verschickt wurden. So haben sie – unbeabsichtigt – historisch wichtige Zeitdokumente hinterlassen, die ein detailreiches Bild von der jeweiligen Herrschaft und dem Regierungsstil zeigen. Welcher Aufwand damit oft verbunden war, zeigen etwa die Petitionen der Bürger von Antinoupolis, die eine Delegation nach Rom entsandten, um sich die Genehmigung zur Erweiterung des Stadtrates und die Bestätigung alter Privilegien zu holen.

Römischer Vertrag. © Österreichische Nationalbibliothek.

Rechtswesen und Militär, Verwaltung und Steuern

Aus der griechisch-römischen, aber auch aus der früharabischen Epoche liegen tausende Dokumente zur Steuerverwaltung vor, die eine penible Buchführung zeigen. Mit ähnlichem Aufwand sorgten die antiken Staaten für die Sicherheit und Rechtssicherheit – was zahlreiche Schriftstücke zur militärischen Besatzung des Landes und die Akten der Rechtsprechung verdeutlichen. Die Dauerausstellung im wiedereröffneten Papyrusmuseum präsentiert amtliche Schriftstücke aus einem Zeitraum von über 1.000 Jahren. Unter ihnen befindet sich auch die kaiserliche Anordnung einer Osteramnestie. Osteramnestien wurden von den Kaisern jährlich gewährt. Sie erstreckten sich jeweils nur auf leichte Delikte und Steuerschulden, während Gewaltverbrechen, Staatsverbrechen, Giftmischerei und Schadenszauber sowie Religionsfrevel, Kirchenraub, Grabschändung und Geldfälscherei von der Osteramnestie ausgenommen waren.

Materialkunde und Sammlungsgeschichte

Ein eigenes Kapitel ist natürlich dem Material gewidmet, dem das Museum seinen Namen verdankt: Papyrus. Schon am Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. wurde in Ägypten ein Verfahren entwickelt, um aus der Papyrusstaude einen langlebigen und leicht zu transportierenden Beschreibstoff herzustellen. Dazu wurde der dreieckige Stängel der Papyruspflanze in Streifen geschnitten, in zwei Schichten quer übereinandergelegt, geklopft, gepresst und getrocknet. Durch Aneinanderkleben einzelner Blätter entstand dann die Papyrusrolle: die typische Buchform der Antike. Erst ab dem späten 8. Jahrhundert n. Chr. wurde Papyrus allmählich vom Papier verdrängt.

Dass sich heute so viele Papyri in Wien befinden, verdankt sich der privaten Sammelleidenschaft des Habsburgers Erzherzog Rainer. Er begann ab 1883 Schriftdokumente anzukaufen, die kurz davor in antiken Müllhalden in Ägypten gefunden worden sind. 1899 schenkte er seine Sammlung Kaiser Franz Joseph zum Geburtstag und dieser wies sie der Hofbibliothek zu, der Vorgängerin der Österreichischen Nationalbibliothek.

 

Online finden Sie weitere Informationen zum Papyrusmuseum.

Für die Numismatik sind Papyri essentiell. Sie bieten einen Einblick in viele Bereiche, die allein durch Münzen nicht ausreichend beleuchtet werden. Auch im Zusammenhang mit der Kriminalität im Römischen Reich sind Papyri wichtige Zeugnisse.

Lesen Sie hier, wie ein Papyrus aus dem 7. Jh. v. Chr. eine politische Diskussion um die UNESCO-Resolution befeuerte.