Stampfer und die Zürcher Taler

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Es war keine neue Idee, Münzen nicht mehr von Hand, sondern mittels einer Maschine zu prägen. In Augsburg hatten clevere Maschinenbauer erste Prägemaschinen für den französischen Königshof entwickelt, mit denen Heinrich II. (1547-1559) repräsentative Schaustücke prägen ließ. Doch durchsetzen konnten sich diese Maschinen nicht. Das hatte wirtschaftlich-soziale Gründe, wie wir aus einer Denkschrift erfahren, mit der Reinhard der Ältere, Graf von Solms, Ferdinand I. überzeugen wollte, das von ihm mit Hilfe von Augsburger Technikern entwickelte Walzprägewerk zu kaufen. Reinhard sah als den größten Vorteil der neuen Technologie, dass man endlich die anspruchsvollen und kostspieligen Münzmeister mitsamt ihren überbezahlten Gesellen durch einfache Schmiede würde ersetzen können. Und genau deshalb boykottierten alle Handwerker traditioneller Münzstätten jegliche neue, effizientere Form der Münzprägung: Sie fürchteten, ihre privilegierte Stellung zu verlieren.

Und so verwundert es nicht, dass es kein Münzmeister war, der erstmals ein funktionierendes Walzprägewerk benutzte, sondern ein Zürcher Goldschmied und Politiker.

Älteste zuverlässige Darstellung von Großmünster und Wasserkirche, Ende des 15. Jahrhunderts, von Hans Leu.

Der historische Hintergrund

Aber zunächst einmal müssen wir uns die Frage stellen, warum in Zürich in den 1550er Jahren so eine umfangreiche Massenprägung notwendig war. Dafür müssen wir knappe zwanzig Jahre in der Geschichte zurückgehen:

1531 stellte der Zürcher Rat die säkularisierten Kirchengüter unter seine eigene Verwaltung. Was eigentlich dazu dienen sollte, die Armen zu unterhalten, war in den Augen der frommen Ratsherren viel besser geeignet, die Schulden zu tilgen, die der Stadt aus dem Zweiten Kappelerkrieg erwachsen waren. Als die bezahlt waren, nutzte der Rat zwischen 1540 und 1550 die Einkünfte, um Herrschaftsrechte und Territorien im Umland von Zürich aufzukaufen. Um welche Summen es sich handelte, eruierte Hans Hüssy in seiner unpublizierten Dissertation von 1946. Er stellte fest, dass in zehn Jahren über 100.000 Pfund in die Machterweiterung flossen.

Diese Pfund sind nicht etwa ausgeprägte Münzen, sondern eine Rechnungswährung. Ein Pfund entsprach 8 theoretischen Batzen resp. 20 theoretischen Schillingen, wobei der Kurs gegenüber dem realen Batzen und dem realen Schilling durchaus fluktuierte, je nachdem in welchem Maß der Silberpreis stieg oder fiel. Nichtsdestotrotz, auch wenn wir die 100.000 Pfund in Rechnungsschillinge umrechnen, sind wir bei beeindruckenden 2 Millionen, die für den Machtzuwachs ausgegeben wurden. Und das bedeutet für uns im Umkehrschluss, dass der Zürcher Rat jedes Jahr aus den beschlagnahmten Kirchengütern einen Überschuss von durchschnittlich 10.000 Pfund resp. 200.000 Rechnungsschillingen erwirtschaftete.

Um 1550 scheint es nichts mehr zu kaufen gegeben zu haben, und so beschloss der Zürcher Rat, den größten Teil dieser Überschüsse in der Sakristei des Großmünsters zu horten, und zwar in guten Talern, die nach der Reichsmünzordnung von 1551 ausgeprägt werden sollten. Das restliche Silber sollte in hochwertige Kleinmünzen ausgeprägt werden, um mit der guten Münze den Zürcher Handel zu fördern.

Jakob Stampfer und die Massenprägung von Zürich

Zur Ausprägung verpflichtete die Stadt Zürich einen erfahrenen Handwerker, und zwar den Sankt Galler Münzmeister Hans Gutenson. Er produzierte in den sechs Jahren seiner Tätigkeit mit Hilfe von 58 Münzgesellen 984.772 Taler und 60 Millionen Groschen, dazu 2,6 Millionen kleinere Münzen. Doch nicht ihm gilt unsere Aufmerksamkeit, sondern dem Quereinsteiger, der gleichzeitig mit seinem Walzprägewerk nicht nur Taler, sondern die Geldgeschichte prägte: Jakob Stampfer.

Jakob Stampfer wurde um 1505/6 als Sohn eines Zürcher Goldschmieds geboren. Nach einer ersten Ausbildung in der Werkstatt seines Vaters dürfte er nach Augsburg gegangen sein, um dort seine Wanderjahre zu absolvieren. Auch wenn wir keinen archivalischen Beweis für einen Aufenthalt Stampfers in Augsburg haben, sprechen stilistische und logische Gründe für eine Gesellenzeit in diesem süddeutschen Zentrum der Goldschmiedekunst. Nun hörten wir bereits, dass man in Augsburg mit der Walzenprägung experimentierte. Stampfer könnte also Prototypen, Zeichnungen oder Modelle von Walzprägewerken in Augsburg gesehen haben.

1530 kehrte Jakob Stampfer zurück nach Zürich und machte Karriere. 1533 wurde er Meister der Zürcher Zunft zum Kämbel. 1539 übertrug man ihm das Amt eines Probierers. 1544 amtete er als Mitglied des Großen, 1555 des Kleinen Rats. Und bereits seit 1553 – ein Jahr vor der Anstellung von Gutenson – saß Stampfer in allen hochkarätig besetzten Kommissionen, die sich mit Münzangelegenheiten beschäftigten.

Irgendwann um 1558 begann auch Stampfer im Auftrag für die Stadt Zürich zu prägen. Eine Bestellungsurkunde wie bei seinem Kollegen Gutenson haben wir nicht. Aber Stampfers Produkte weisen Charakteristika auf, die uns deutlich zeigen, dass sie nicht mit dem Hammer von Münzgesellen, sondern mittels eines Walzprägewerks hergestellt wurden.

Was war das grundsätzlich Neue am Walzprägewerk? Nun, Streckwerke, auf denen Münzzaine auf eine exakte Dicke ausgewälzt werden konnten, kannten die Münzstätten seit langem. Neu waren die beiden Walzen, in die das Münzbild so eingeschnitten war, dass es unter dem großen Druck, den so ein Streckwerk entwickelte, beidseitig in einen langen Zain eingeprägt wurde. In einem zweiten Schritt stanzte man mit dem Locheisen die Münze aus dem Zain.

Unsere dreifache Talerklippe, die in der kommenden Künker-Auktion am 2. Februar 2023 angeboten wird, wurde auf so einem Walzprägewerk geprägt. Charakteristisch dafür ist der gleichmäßige Druck, der ausgeübt wurde. Trotz des dicken Rohlings und des fein geschnittenen Stempels sieht man das Münzbild in allen Details. Kein noch so geschickter Münzgeselle war in der Lage, mit dem Hammer eine vergleichsbar gleichmäßig geprägte Münze herzustellen.

Die hohe Kunst des Jakob Stampfer war es, die Walzen so einzustellen, dass Vorder- und Rückseite wirklich ganz exakt gegenüber zu liegen kamen, und die Münzbilder so einzuschneiden, dass der durch den Prägevorgang entstehende Metallfluss einberechnet war. Stampfer gelang beides. Er war ein Meister seines Fachs, was wir auch an der hohen künstlerischen Qualität seiner Arbeit sehen.

Die Bearbeitung der Randbereiche der Klippe außerhalb des Münzbildes darf uns bei diesem Stück nicht verwundern. Bei der Bearbeitung wurden die Abdrücke der Noppen entfernt, die auf der Walze dazu dienten, den Zain langsam und gleichmäßig weiterzuziehen. Wir können davon ausgehen, dass die Klippe mit ihrem schweren Gewicht als diplomatisches Geschenk gedacht war. Und das sollte natürlich so schön wie möglich sein. Auf einigen anderen Klippen hat sich übrigens durchaus so ein Noppenmuster erhalten; gelegentlich wurde es sogar als dekoratives Element eingesetzt.

Peterhofstatt in Zürich; das Haus zur Mugge, wo Stampfer wohnte, ist das Haus mit dem Schaufenster. Im Haus ganz links lebte übrigens Johann Caspar Lavater. Foto: KW.

Das Zürcher Walzprägewerk und seine Wirkung

Wo genau das Walzprägewerk von Jakob Stampfer stand, wissen wir nicht. Sicher prägte Stampfer nicht in seinem Wohnhaus mit dem schönen Namen zur Mugge, das an der Peterhofstatt lag und viel zu weit von der Limmat entfernt war. Schließlich wurden Walzprägewerke wie Mühlen mit Wasser angetrieben. Deshalb dürfen wir davon ausgehen, dass Stampfers Walzprägewerk unten am Ufer der Limmat aufgebaut war.

1561 lief der Vertrag von Hans Gutenson aus. Stampfer zeichnete ab diesem Zeitpunkt allein für die Zürcher Münzprägung verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt war die Massenprägung vorbei; wir können nur vermuten, weshalb. Vielleicht hatte auch Zürich unter den ersten Vorboten der Kleinen Eiszeit zu leiden, durch die alle landwirtschaftlichen Erträge drastisch zurückgingen. Vielleicht brachten die Ernten der beschlagnahmten Kirchengüter einfach nicht mehr genug ein, um große Rücklagen zu erwirtschaften.

Jakob Stampfer dürfte jedenfalls nicht mehr genügend Aufträge für sein Walzprägewerk gehabt haben. Deshalb versammelte er um sich – irgendwann in den Jahren 1562/3 – ein Konsortium, das ihm helfen sollte, seine Erfindung bei fremden Fürsten zu vermarkten. Man wusste, dass Interesse bestand. So schrieb 1561 der Mailänder Gubernator an den Zürcher Rat, man möge ihn über die Erfahrungen, die man mit Stampfers Walzprägewerk gemacht habe, informieren. 1563 reisten hohe Verwaltungsbeamte aus Innsbruck nach Zürich, um sich mit eigenen Augen von der Leistungsfähigkeit der Maschine zu überzeugen.

Trotzdem stieg Stampfer nicht im großen Stil in die Münzfabrikation ein. Das könnte durchaus daran gelegen haben, dass zu viele mit seiner Erfindung das große Geld machen wollten. Sie alle besaßen zwar kein Walzprägewerk, entwickelten dafür aber ein großes Talent beim Intrigieren und brachten mit ihren unrealistischen Dumpingangeboten an auswärtige Fürsten Stampfer um seine lukrativen Aufträge. Immer wieder musste der Prozesse anstrengen, um seine Rechte zu wahren. Irgendwann dürfte er die Lust an seiner Erfindung verloren haben.

1566 übernahm er die Zürcher Vogtei des Neuamts. Drei Jahre später wurde er zum Vogt von Wädenswil ernannt. Es dürfte wesentlich angenehmer gewesen sein, sein Geld als Zürcher Verwaltungsbeamter zu verdienen. Stampfer starb am 2. Juli 1579.

Dass die Zürcher Technologie sich letztendlich doch noch in der ganzen Welt verbreitete, dafür zeichnete nicht Jakob Stampfer, sondern ein Mitglied seines Konsortiums verantwortlich. Hans Vogler gelang es, in der Tiroler Münzstätte von Hall ein funktionierendes Walzprägewerk zu installieren, das zum Vorbild für all die Habsburger Walzprägewerke wurde, die bald auch in Spanien und in der neuen Welt das Silber prägten. Vogler selbst verdiente daran nichts. Er hatte seinen Preis viel zu niedrig angesetzt.

Literatur:

  • Emil Hahn, Die Zürcher Münzausprägung in den Jahren 1555 bis 1561. SNR 18 (1912), S. 314-333
  • Emil Hahn, Jakob Stampfer, Goldschmied, Medailleur und Stempelschneider von Zürich 1505-1579. Zürich (1915)
  • Rainer Henrich, Vom Luftikus zum Münzwerkregierer. Die Karriere Hans Voglers d. J. von Zürich (1524-1574/5). In: Hans Ulrich Bächtold (Hg.), Von Cyprian zur Walzenprägung – Streiflichter auf Zürcher Geist und Kultur der Bullingerzeit. Zug (2001), S. 71-104
  • Ursula Kampmann und Kurt Wyprächtiger, Jakob Stampfer und die Anfänge der Walzenprägung. In: Stadt Hall in Tirol und Hall AG (Hg.), Zentrum der Innovation – Die Münze Hall in Tirol. Internationales Symposium Hall in Tirol am 12. Oktober 2012. Hall (2013), S. 12-25

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In diesem Artikel lesen Sie mehr über Jakob Stampfer und seine revolutionäre Erfindung.

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